Das Maiglöckchen-Phänomen und wie Düfte unsere Emotionen steuern

Am 10. Oktober 2015 hatten die Rosenfreunde Dortmund den Zellphysiologen und Duftforscher Prof. Dr. Dr. Dr. Hanns Hatt / Ruhruniversität Bochum als Gastreferenten ins Ballettzentrum des Westfalenparks geladen. Mehr als 60 interessierte Zuhörer lauschten seinen spannenden und unterhaltsamen Ausführungen.

 

Der Geruchssinn ist einer unserer ältesten Sinne und im Vergleich zum Augensinn, der sich beim Schlaf eine Auszeit nimmt, ein Hochleistungsorgan, das 24 Stunden am Tag aktiv ist. Aber nicht nur unsere Nase kann riechen sondern auch unsere Haut, sogar die Prostata (Veilchenduft) oder die Spermien (Maiglöckchenduft) wie

Prof. Hatt herausgefunden hat. So sind beispielsweise Aromastoffe, die der Haut zugeführt werden, nach kurzer Zeit im Blut nachzuweisen.

 

Düfte sind beim Menschen vielfach mit Erinnerungen verknüpft. Dadurch lösen sie individuelle Empfindungen (positive oder negative) aus: etwa der Duft eines Parfums oder der Geruch eines Misthaufens. Haben wir beispielsweise eine gute Erinnerung an jemanden, der nach einem bestimmten Parfum roch, so wird eine neue Bekanntschaft mit dieser Parfumnote es leicht mit uns haben. Bei negativer Erfahrung hat der Andere keine Chance.

 

Auch unser Sozialverhalten wird durch Düfte beeinflusst. So ist der persönliche Duftcocktail dafür verantwortlich, ob sich zwei Menschen mögen oder nicht. Je differenzierter die Mischung ist, um so eher werden sich zwei Menschen mögen und um so eher erscheint uns der Partner begehrenswert. Das ist für die Evolution ein entscheidender Vorteil, weil dann auch die Gene stärker differieren.

 

Hochinteressant ist auch die Feststellung, dass Männer sich durch bestimmte Parfumdüfte bei Frauen verwirren lassen. So werden Frauen, die blumige Duftnoten tragen, um 6 kg leichter geschätzt und Damen, die Pampelmusen-Duft verströmen, erscheinen ihnen sogar um 6 Jahre jünger.

 

Viele Düfte nehmen auch Einfluss auf die Konzentration. Während Lavendel, Thymian und Melisse eine beruhigende Wirkung haben, auf unser Schlafzentrum wirken und unsere Aufmerksamkeit absenken, regen Rosmarin, Minze und Zitrone unser Aktivitätszentrum im Gehirn an, haben eine belebende Wirkung und steigern unsere Aufmerksamkeit. Prof. Hatt konditioniert sein Aktivitätszentrum im Gehirn bei konzentrierter Schreibtischarbeit zum Beispiel dadurch, dass er seiner Nase Minzeduft von seinem Ärmel zuführt und so sein Gehirn weiterhin auf konzentriertes Arbeiten einstimmt.

 

Dass morgendlicher Kaffeeduft wach macht ist ein Märchen. Verantwortlich ist allein das Coffein. Allerdings wird das Gehirn durch häufiges Kaffeetrinken durch den vorangehenden Kaffeeduft auf das Wachwerden konditioniert, weil es sich den Zusammenhang zwischen Kaffeeduft und Wachwerden durch Coffein merkt.

 

Hohe Duftkonzentrationen können Kopfschmerzen und Übelkeit bewirken. Sie lösen über den Trigeminus-Nerv ein Warnsignal im Gehirn aus, der unseren Körper in Alarm- und Fluchtbereitschaft versetzt. Sie schaden auch der Konzentration. Der Knoblauchgeruch des Sitznachbarn im Konzerthaus kann uns den Hörgenuss vermiesen, es sei denn man duftet selbst danach.

 

Geringe Duftkonzentrationen nehmen wir meist überhaupt nicht bewusst wahr und wissen daher auch nicht, weshalb wir uns zum Beispiel irgendwo besonders wohl fühlen (Heimatgeruch).

 

Wie werden Düfte über die Nase aufgenommen und ans Gehirn weitergeleitet?

In unserer oberen Nasenhöhle besitzen wir etwa 30 Millionen Riechzellen, die nach einem Monat vollständig durch neue ersetzt worden sind. Sie sind in rund 350 verschiedene Typen unterteilt, die für bestimmte Duftmoleküle zuständig sind. Beim Einatmen werden Duftmoleküle in der Nasenschleimhaut gelöst und docken nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an den entsprechenden Rezeptoren auf den Riechzellen an. Dadurch werden elektrische Impulse ausgelöst, die an den sogenannten Riechkolben im Gehirn weitergeleitet und dort analysiert werden. Das Ergebnis wird ins limbische System und in den Hippocampus geschickt. Dadurch werden Gefühle erzeugt und Erinnerungen gespeichert.

 

Um das Nachlassen unserer Riechfähigkeit zu verlangsamen, empfiehlt Prof. Hatt mindestens zweimal am Tag je 5 Minuten intensiv an etwas zu schnuppern und zu versuchen, damit Erinnerungen zu verknüpfen, weil dadurch unsere grauen Zellen stärker trainiert werden als beim Sudoku oder beim Kreuzworträtseln.

 

Für Rosenfreunde ist es auch interessant, dass ein Rosenduft aus über 500 Einzelkomponenten besteht. Um ihren augenblicklichen Duft konzentriert zu erschnuppern, sollte man an den äußeren Blumenblättern riechen und die Nasse nicht in der Blütenmitte versenken. Eine unbekannte Rosensorte anhand ihres Duftes genau zu bestimmen ist allerdings schwierig, wenn auch wenige Leitsubstanzen eine Annäherung ermöglichen. Die Hauptleitsubstanz bei Rosen ist das Geraniol. Die Frage eines Zuhörers, ob nicht eine Sammlung von Sortendüften eine Bestimmung erleichtern könnte, wurde von Prof. Hatt etwa folgendermaßen beantwortet:

Da der Duft einer Sorte aus Hunderten von Einzelkomponenten besteht und seine Zusammensetzung außerdem durch Umwelteinflüsse wie Boden, Witterungsverlauf, Nährstoffzufuhr, Tageszeit und andere Faktoren beeinflusst wird und deshalb stark variieren kann, wird eine Realisierung dieser Idee kaum zum Ziel führen.

 

Die Besucher der Veranstaltung waren von der kurzweiligen Vortragsweise und der sehr verständlichen Darbietung komplexer fachwissenschaftlicher Inhalte im Zusammenhang mit dem Einfluss der Düfte auf unser Leben völlig begeistert.

Rosen-, Stauden- und Gartenfreunde danken Prof. Hatt ganz herzlich für diesen überaus informativen und lehrreichen Nachmittag.

 

Nachfolgende Bilder zeigen einen Ausschnitt von der Veranstaltung. Bei den Powerpoint-Bildern (Kopien) liegen alle Rechte bei der RUB / Hatt. Die Links nach den Bildern bieten die Möglichkeit, sich noch tiefer mit dem Thema auseinanderzusetzen.