Die einfache Vielfalt - Heimische Wildrosen und ihre Evolution

Bild 1 Die Vielfalt der heimischen Wildrosen

 

Die einfache Vielfalt – Heimische Wildrosen

 

Vor gut 30 Teilnehmern hielt Herr Prof. Dr. Volker Wissemann / Uni Giessen am 2. Februar 2019 bei den Rosenfreunden Dortmund einen überaus interessanten Vortrag über das Zustandekommen der ungeheuren Artenvielfalt der Hundsrosen / Sektion Caninae. Ihre einzigartige Reproduktionsbiologie hat im Laufe ihrer Evolution dazu geführt, dass sie Erbmerkmale von Rosen aus der ganzen Welt in sich tragen.

 

Zur Einstimmung trug unsere Rosenfreundin Marlene Heggemann folgendes Gedicht von Georg Eliot vor: „Es wird nie rote Rosen regnen; wenn wir mehr Rosen wollen, müssen wir mehr davon pflanzen!“ Ob der Dichter wohl eine Rosenschule besaß?

 

Rosenfreunden, die aus unterschiedlichen Gründen verhindert waren an dem Vortrag teilzunehmen, stellt Herr Prof. Dr. Volker Wissemann Bilder und Kernaussagen seines Vortrags textlich zur Veröffentlichung in unserer Homepage zur Verfügung.

Dafür möchte ich mich als Webmaster vorab herzlich bedanken. Nachfolgend sein Text:

 

Die einfache Vielfalt - Heimische Wildrosen und ihre Evolution

„Wildrosen begegnen uns an allen Orten, als Begleitgrün entlang der Autobahnen rund um Dortmund, in der Landschaft beim Spazierengehen rund um den Hengsteysee oder aber im Urlaub an der Nordsee. Aber nicht immer sind es heimische Arten die wir finden, sondern häufig rapide sich ausbreitende, invasive Arten wie z.B. Rosa rugosa, die Kartoffelrose aus Asien. Oder aber auch Rosa multiflora, die als Veredlungsunterlage abgestorbener Edelrosen unsere Landschaft für sich entdeckt. (Abb. 1)

Die klassische Gliederung der Gattung Rosa, die durch ihre einfachen Blütenblätter, d.h. 5, gekennzeichnet sind, gruppiert die allermeisten Rosen gemeinsam in eine große Gruppe, die Untergattung Rosa. Einzelne Arten, die sich vor allem durch ihre sehr variable Blättchenanzahl sowie die an Kastanien erinnernden Hagebutten auszeichnen, gehören nicht hierzu, sondern bilden 3 einzelne Untergattungen neben der Untergattung Rosa. Diese wiederum unterteilt sich in eine Reihe von Sektionen, von denen bei uns die Hundsrosen aus der Sektion Caninae im Zentrum der Vielfalt stehen. Daneben kommen heimisch Rosa spinossima, die Dünenrose aus der Sektion Pimpinellifoliae vor, R. gallica, die Stammmuter aller Gartenrosen aus der Sektion Gallicanae, R. arvensis aus den Synstylae (wegen ihrer zu einer Säule miteinander verbundenen Griffel) sowie Rosa majalis bzw. Rosa pendulina aus der Sektion Rosa (ehemals Sektion Cinnamomeae, die Zimtrosen). (Abb. 2)

 

Die große Fülle unserer Rosen jedoch gehören zu den Hundsrosen (Heckenrosen) der Sektion Caninae. Die Vielfalt ihrer äußeren Erscheinungen ist groß, Hundsrosen variieren stark im Besatz mit Drüsen, die mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt sind (z.B. Weinrose, R. rubiginosa) (Abb. 3), in der Art der Bestachelung,  ihrer Wuchsform, dem Verhalten der Kelchblätter nach der Blüte und der Morphologie des Blattes, z.B. bei der Blattzähnung oder dem Besatz mit Haaren. Diese enorme Vielfalt, die diejenigen aller anderen Gruppen weit übersteigt und Grund für Schwierigkeiten bei der taxonomischen Gliederung der Hundsrosen ist, hat ihren Ursprung in der komplexen Genetik dieser Rosen. Nicht nur, dass sie bis zu 6 Chromosomensätze haben (in der Regel 5), nein, diese Chromosomensätze stammen aus ganz unterschiedlichen Rosengruppen und wurden bei der Entstehung der Hundsrosen während der Evolution durch Hybridisierung "aufgesammelt" und bilden nun, miteinander kombiniert, das komplexe und äußerst vielfältige Gesamtgenom dieser Rosen. Hinzu kommt, dass dieses Genom nicht hälftig über jedes Elternteil vererbt wird, sondern (im Fall von 5 Chromosomensätzen) entstammen 20% dem Vater über das Pollenkorn, die Mutter bringt 80% über die Eizelle in die Nachkommen ein. Dieser mütterlich dominierte Vererbungsgang erklärt die große Vielgestaltigkeit der Nachkommen, zugleich aber auch, dass Nachkommen ein und desselben Elternpaares unterschiedlich sind, je nachdem welcher Busch als mütterlicher oder väterlicher Elter gewirkt hat. Auch die Vererbung von Merkmalen wie Drüsen, Inhaltsstoffe, Duftstoffe u.a. folgt dieser spezifischen Vererbung und liefert für Evolutionsbiologen und -biologinnen wichtige Hinweise zur Vorhersage über das Auftreten bestimmter natürlicher Hybriden, je nachdem, ob z.B. Abwehrmechanismen gegen Pilze oder Insekten durch die Mutter mitgegeben werden, oder nicht. (Abb. 4)

 

Neben diesen genetischen Faktoren bestimmen aber auch Fähigkeiten wie z.B. die sehr unterschiedliche Toleranz von Salz im Boden und der Luft das Potential zur Besiedlung neuer, z.B. küstennaher Standorte. Hier unterscheiden sich unsere heimischen Rosen deutlich von der asiatischen Kartoffelrose (Rosa rugosa), die wesentlich salztoleranter ist und damit prädestiniert ist, in sensible Vegetationsbereiche wie Küsten- und Dünenvegetationen einzudringen und invasiv die bestehende Flora zu verändern. Dort angekommen breitet sie sich massiv verdrängend aus, oder vernichtet z.B. auf der Geltinger Birk an der Ostsee durch Hybridisierung mit Rosa mollis diese heimische und seltene Art. (Abb.5)

 

Nach reger Diskussion gab Prof. Wissemann auf Nachfrage, ob und wie sich die kürzliche Entschlüsselung des Rosengenoms wohl auf die Rosenzüchtung auswirken könnte, einen Einblick in die bisherigen Möglichkeiten sowie einen kleinen Ausblick auf die Zukunft. Die Teilnehmer dankten dem Referenten mit langem Beifall. Sie haben mit Prof, Wissemann einen engagierten Evolutionswissenschaftler erlebt, der seine hochinteressanten Forschungsergebnisse in eindrücklicher Weise nahe gebracht hat.

Weitere Informationen über dieses Forschungsgebiet von Prof. Wissemann finden Sie,

wenn Sie auf die nachfolgenden Links klicken:

 

https://idw-online.de/de/news?print=1&id=77592

 

https://www.dfg.de/download/pdf/dfg_magazin/wissenschaft_oeffentlichkeit/forschung_magazin/2004/forschung_spezial_4.pdf

 

Text:    Prof. Dr. Volker Wissemann und Ulrich Perpeet

Bilder: Prof. Dr. Volker Wissemann (Bild 1 bis 5), Ulrich Perpeet (Bilder 6 bis 11)

Pe, 03/19